„Kann die Anhaftung an das Gute Leid verursachen? Die wahre Bedeutung von 'Scham und Gewissen' im Buddhismus“
Jeder möchte ein guter Mensch sein und das Richtige tun. Aber was, wenn unsere Besessenheit, „gut“ zu sein, eine versteckte Quelle des Leidens ist?
In diesem Artikel, inspiriert von den Lehren von Ven. Alubomulle Sumanasara Thero, werden wir das buddhistische Konzept von hiri-ottappa—Scham und moralisches Gewissen—untersuchen, um das Zusammenspiel zwischen Gut und Böse, Anhaftung, Vergleich und letztendlicher Befreiung zu verstehen.
■ Meditation ist keine Archäologie
Wenn während der Meditation Emotionen wie Wut oder Scham aufkommen, versuchen wir oft, ihre Ursache zu finden. Aber diese Herangehensweise, sagt der Thero, ähnelt der Archäologie – dem Versuch, Geschichten aus verstreuten Beweisen zusammenzusetzen.
Meditation geht jedoch nicht um Analyse. Es geht darum, den gegenwärtigen Moment klar zu beobachten. Wenn Wut aufkommt, beobachte einfach: „Es gibt Wut.“ Kein Bedürfnis, sie zurückzuverfolgen oder zu etikettieren. Einsicht wird sich natürlich zeigen.
■ Gut und Böse entstehen zusammen
Woher kommt das Gefühl von „Scham“?
Laut Buddhismus entsteht es aus dem Zusammenspiel von tugendhaften und unheilsamen geistigen Zuständen. Zum Beispiel, wenn wir etwas verletzendes sagen und es später bereuen, dann tritt das Gefühl der Scham auf. Dieses moralische Unbehagen entsteht nur, weil wir das, was wir getan haben, als schlecht erkennen – was bedeutet, dass wir ein Bewusstsein für das Gute haben.
Gut und Böse sind daher relativ und voneinander abhängig.
■ Anhaftung an das Gute wird zu Leiden
Obwohl „Gut“ wünschenswert ist, kann die Anhaftung daran problematisch werden. Wenn wir erwarten, für gute Taten belohnt oder anerkannt zu werden, kann Enttäuschung entstehen, wenn die Dinge nicht wie erhofft laufen.
Auch dies ist Anhaftung – und Anhaftung führt immer zu Leiden. Selbst das Gute kann ein Gefängnis werden, wenn wir es nicht loslassen können.
■ Ohne ein wenig Schlechtes können wir das Gute nicht fühlen?
Interessanterweise lehrt der Buddhismus nicht, dass Gut und Böse perfekt im Gleichgewicht sein sollten. Er ermutigt dazu, das Gute zu vermehren – aber im Verständnis der Relativität.
Ohne kleine Missgeschicke wird das Glück geschmacklos. Der Kontrast macht die Freude sichtbar. Ständiger Erfolg ohne Rückschläge führt zu Langeweile, nicht zu Erfüllung.
■ Der Weg des „reinen Guten“
Ist die buddhistische Lehre vom „nur Guten tun“ ein unrealistisches Ideal?
Nicht ganz. Mit der Zeit, wenn man nur tugendhafte Taten vollzieht, verschwindet der Vergleich selbst. Glück wird zur Selbstverständlichkeit. Und irgendwann verliert selbst der „Geschmack“ des Guten seine Bedeutung.
An diesem Punkt lässt man natürlich auch die Anhaftung an das Gute los. Dieser Zustand der Nicht-Anhaftung ist das Tor zu Weisheit und Befreiung.
■ Der wahre Wert von Scham und Gewissen
Gefühle wie Scham mögen unangenehm erscheinen, aber im Buddhismus werden sie sehr geschätzt. Sie signalisieren eine Bewegung hin zum Guten.
Scham und Gewissen sind keine Zeichen der Schwäche, sondern der ethischen Achtsamkeit. Sie ermöglichen es uns, zu reflektieren, zu lernen und uns zu verändern.
■ Jenseits des Guten: zur wahren Freiheit
Der buddhistische Weg ist einfach und doch tiefgründig: Ansammeln von Gutem. Aber im Prozess wird man über das Gute hinausgeführt – hin zur Nicht-Anhaftung.
Ein Leben zu führen, in dem wir sogar an das Gute nicht anhaften – in dem Scham zu Transformation wird und Handlungen frei von Egos sind – ist der Weg zu Frieden, Freiheit und letztlich Befreiung.